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Vorliebe für stattliche Damen hatte ein übriges
getan.
Bis heute wusste ich nicht, dass Sie Justins
Schwester sind. Ich hielt sie immer für seine Fre-
undin , gestand sie schüchtern.
Seine Freundin? rief Jess aus. Sie machen
wohl Witze? Mein Bruder hat jahrelang keine an-
dere Frau angeschaut - seit jenem Tag, an dem Sie
mit Ihrem Liebhaber in die Staaten durchgebrannt
sind. Er war fast am Ende. Dann sind Sie plötz-
lich wieder in London aufgetaucht und hatten
nichts Besseres zu tun, als gleich mit ihm ins Bett
zu steigen. Jetzt wollen Sie mir am Ende noch
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weismachen, Sie hätten mit ihm in der Annahme
geschlafen, ich sei seine Freundin. Verflixt noch
mal! Was für eine Frau sind Sie eigentlich?
Eine sehr verwirrte , gestand Zoe. Ich weiß
zwar nicht, aus welcher Quelle Sie Ihre Informa-
tionen beziehen, auf alle Fälle sind sie falsch. Ich
bin nicht durchgebrannt, und ein Liebhaber ex-
istiert auch nicht. Ich habe Justin bis zur Raserei
geliebt. Aber er liebte mich nicht. Als ich das
herausfand, habe ich ihn schließlich verlassen.
Sie sind verrückt! Jess starrte in Zoes tränen-
verschmiertes Gesicht. Irgendetwas in dessen
Ausdruck ließ sie innehalten. Sie scheinen wirk-
lich zu glauben, was Sie da sagen.
Es ist die Wahrheit. Zoe schloss einen Mo-
ment lang die Augen in Erinnerung an den Sch-
merz, den sie angesichts ihrer zerstörten Illusion-
en empfunden hatte.
Erzählen Sie mir bitte alles , forderte Jess Zoe
auf und setzte sich neben diese auf die Couch.
Erzählen Sie mir Ihre Version.
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Erst waren es vereinzelte, scheinbar unbedeu-
tende Hinweise , begann Zoe seufzend
Sehr bald verdichteten sie sich jedoch zu einem
begründeten Verdacht dem Verdacht, dass Justin
mit der Heirat ganz eigene Ziele verfolgte. Um
Liebe ging es ihm dabei gar nicht, zunächst hielt
ich alles für albernen Klatsch & Es war, als
stürzte ein Damm ein.
In der nächsten Viertelstunde erzählte Zoe Jess
alles. Den Klatsch von Mrs. Blacket, Justins
Rückzug in die Arbeit, die getrennten Schlafzim-
mer, bis zu der Nacht von Janet Ords schrecklich-
er Eröffnung. Zuletzt beschrieb sie das fatale
Treffen mit Justin in Kalifornien, bei dem er ihr
kategorisch deutlich gemacht hatte, dass er sie nie
mehr zu sehen wünschte.
So unwahrscheinlich es klingt, aber ich glaube
Ihnen , sagte Jess kopfschüttelnd.
Wie zwei intelligente Menschen aus ihrem
Leben ein solches Chaos machen können, ist mir
schleierhaft.
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Ich fürchte, ich muss Ihnen recht geben , gest-
and Zoe mit einem schwachen Lächeln.
Ich war eben sehr jung und leicht verletzbar
&
Und mein Bruder ist ein ausgemachter Spin-
ner , unterbrach Jess sie. Hören Sie, Zoe, Justin
liebt Sie. Er hat mir viel von Ihnen erzählt - lange
bevor er Sie heiratete, waren Sie bereits sein lieb-
stes Gesprächsthema. In die Kanzlei Ihres Onkels
ist er nur eingetreten, weil er sich einbildete, seine
Chancen im Hinblick auf Sie zu verbessern.
Aber er wollte doch immer schon Richter
werden!
Unsinn! Internationales Recht, das war s, was
ihn wirklich interessierte, aber für Sie gab er es
auf. Er betete Sie an, und als heimlicher Ro-
mantiker sorgte er sich zu Tode über den Alter-
sunterschied zwischen Ihnen beiden. Ihr
achtzehnter Geburtstag, das war auch so eine
Geschichte! Er hat mir davon erzählt, und dass er
extra eine andere Frau zur Party mitgenommen
habe. Er wollte Ihnen unbedingt die Chance
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bieten, etwas von der Welt zu sehen, bevor er von
Ihnen verlangte, sich zu binden.
Nur allzugern hätte Zoe das Gehörte geglaubt.
Das Bild, das Jess von ihrem Bruder zeichnete,
war ja fast ein Idealporträt! Aber warum hatte er
sich bloß die ganze Zeit in intimen Dingen so
zurückgehalten? Sie war sich gar nicht bewusst,
die Frage laut ausgesprochen zu haben.
Vielleicht kann ich es erraten , erbot sich Jess.
Was hat Justin Ihnen über unsere Eltern
erzählt?
Nicht viel - dass seine Mutter bei seiner Geburt
gestorben sei und sein Vater wieder geheiratet
habe. Seine Stiefmutter starb, als er ein Teenager
war, ein paar Jahre später folgte sein Vater ihr. Er
hat niemals von seiner Familie gesprochen, de-
shalb nahm ich an, er hätte eine Stiefschwester -
sonst nichts. Bis heute , ergänzte sie.
Typisch! schnaufte Jess, dann fuhr sie fort:
Dad war Spanier. Von Jugend an lebte er in Lon-
don. Er begegnete meiner Mutter in dem Restaur-
ant, das er besaß. Sie war Ballerina - zierlich,
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feingliedrig, ein wenig wie Sie, nur dunkel. Justin
liebte sie abgöttisch, zum erstenmal im Leben
hatte er eine Mut ter. Als ich dann fünf Jahre
später kam, übertrug sich seine Liebe und Für-
sorge auch auf mich. Es war eine glückliche
Kindheit. Wir waren immer von viel Liebe
umgeben. Auch unsere Eltern waren einander
sehr zuge tan. Ständig turtelten sie umeinander
herum, tauschten kleine Zärtlichkeiten aus. Jeden
Sommer verbrachten wir in Spanien in einer
Villa. Justin war erst fünfzehn, als es passierte.
Eines Nachts wurden wir geweckt - durch einen
Schrei!
Alarmiert stürzte mein Bruder in das Zimmer
unserer Eltern und fand meinen Vater nackt neben
dem Bett. Unsere Mutter hatte einen Herzanfall
erlitten. Sie starb & , Jess hielt inne, ,,&
während des Liebesakts!
O nein! rief Zoe aus.
Es war ein furchtbarer Schicksalsschlag, den
man niemandem zur Last legen konnte.
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Aber Justin sah das anders. Er war in einem
problematischen Alter. Auf diese Weise mit der
Sexualität seiner Eltern konfrontiert, reagierte er
instinktiv voller Ablehnung. Er schämte sich für
sie. Und er hielt Vater für schuldig an Mutters
Tod. Einmal war ich Zeugin einer Auseinander-
setzung zwischen den beiden. Er klagte Dad an,
ausschweifend und hemmungslos zu sein; er sei
nur hinter seinem eigenen Vergnügen her, ohne
jede Rücksicht auf andere. Mittlerweile sollte er
solche Ansichten eigentlich abgelegt haben. Die
beiden Frauen tauschten ironische Blicke.
O Torheit der Jugend , dozierte Jess oberlehr-
erhaft, bevor sie fortfuhr: Bertie Brown war
Dads Anwalt und ein Freund der Familie. Zu ihm
flüchtete sich Justin in seinem Abscheu vor Vater.
Schließlich verbrachte er seine gesamte Freizeit
mit Bertie.
Wegen seines Studiums, gab er immer vor. Aber
ich vermute eher, weil er in seiner aufbrausenden
Art sich mit dem Verlust der Mutter einfach nicht
abfinden wollte. Als sein Vater drei Jahre später
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starb, hatte Justin ihm noch immer nicht
verziehen.
Und worauf wollen Sie damit hinaus? forschte
Zoe.
Ich bin natürlich kein Seelenklempner, aber ich
kenne meinen Bruder lange genug.
Er hat in den Jahren Freundinnen ge habt wie
andere junge Männer auch - nicht übermäßig
viele, aber jede einzelne war eine Amazone - bis
Sie kamen. Er hat mit mir öfter über seine Ehe ge-
sprochen. Auch über seine Bedenken, Sie zu
überfordern. Er sagte, Sie seien so zerbrechlich
und feinnervig. Er schilderte mir in allen Einzel-
heiten, was für Vorsichtsmaßnahmen er sich aus-
gedacht hatte. Nur ein einziges Mal ist er von
seinem Pfad der Tugend abge wichen, in der
Nacht, in der Sie drohten, ihn zu verlassen.
Da sind mit ihm die Pferde durchgegangen!
Aber ich habe ihn niemals als zu fordernd em-
pfunden! rief Zoe.
Erzählen Sie das nicht mir. Justin ist es, den
Sie überzeugen müssen: Offen gestanden, bin ich
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davon ausgegangen, dass Sie und Justin mittler-
weile ihre Missverständnisse aus der Welt ge
schafft hätten. Als er mir letzten Sonntag von Val
erzählte, war er außer sich. Aber mir kann er
nichts vormachen - insgeheim hatte er Ihnen
längst vergeben, er sträubt sich nur noch dage
gen, das auch vor sich zuzugeben.
Sie haben wieder das Bett geteilt, und er wirkte
wieder so vital wie seit Jahren nicht mehr. Aber
wenn ich seinen Gesichtsausdruck von heute
abend richtig interpretiere, dann haben Sie ihm
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